Das ist nicht Lobbying. © U.S. Army Europe

Böses Lobbying?

Ist Lobbying automatisch böse? Kommt es darauf an, wer wen beeinflussen will? Oder ist wichtiger, was Lobbying tatsächlich bewirkt?

Der Lobbyist als Strippenzieher

Der ehemalige Verteidiungsminster Franz Josef Jung soll in den Aufsichtsrat von Rheinmetall wechseln. Die »Anti-Korruptions-Organisation« LobbyControl kritisiert das als “instinktlos”. In einem evangelischen Gymnasium in NRW sieht die Klasse 9a im Deutschunterricht den Film »Danke, dass Sie hier rauchen« (Thank You for Smoking) und befasst sich mit der moralischen Frage politischer Interessenvertretung.

An dieser Stelle soll die Frage der moralischen oder rechtlichen Einordung von Lobbying nicht nachgegangen werden. Selbst LobbyControl gibt zu, dass der Wechsel von Jung zun Rheinmetall vollkommen im Rahmen der geltenden Gesetze stattfindet. Nicht mal mangelnde Transparenz kann man in dem Vorgang finden. Am Ende bleibt es bei einem Werturteil, das man teilen kann oder auch nicht.

Funktioniert Lobbying durch Lüge?

Vielmehr geht es um folgendes: Unausgesprochen unterstellt wird bei derart Kritik nämlich, dass Lobbying schlicht und einfach funktioniert, dass ein einschlägiger Politiker in Diensten eines Großunternehmens automatisch eine Gefahr für Demokratie und Wettbewerb darstellt, dass Lobbying Gesundheit und Verbraucherschutz bedrohen. Im Film kommt dies besonders plastisch zur Geltung.

Die Kritik am Lobbying als ganzes geht daher genau an dieser Stelle fehl: Lobbying ist weitgehend ineffektiv, weil es sich gegenseitig ausgleicht und abschwächt.

In Wirklichkeit ist dies alles nicht so einfach. Klar, Politiker wechseln in die Industrie, weil Unternehmen ihre Kontakte »einkaufen« wollen. Aber machen Sie sich die Ausgangslage klar: Offenbar sind die Kontakte, auf die es einem jeweiligen Unternehmen ankommt, zuvor nicht zufriedenstellend gewesen. Großunternehmen haben nicht automatisch immer einen »Draht zur Politik«. Genau aus diesem Grund gibt es ja die unzähligen Verbände und Lobby-Agenturen in den Hauptstädten dieser Welt.

Es ist aber keineswegs klar, dass eingekaufte Kontakte auch ziehen. Der politische Willensbildungsprozess ist kompliziert. Wäre es so einfach, dann müsste man einen klaren Einfluss ehemaliger Politiker, die bereits seit einiger Zeit in der Industrie arbeiten, beobachten können. (Was hat Gerhard Schröder Gazprom eigentlich gebracht?) Dies ist ganz offensichtlich nicht der Fall.

Der Lobbyist als Berater

In Wirklichkeit ist der Lobbyist – sei es im Unternehmen, sei es im Verband oder in der Agentur – im wesentlichen Berater, und zwar in zweifacher Hinsicht. Er berät »nach innen«, ist also bei der Findung der politischen Strategie von Unternehmen und Verbänden beteiligt und berät seine Arbeitgeber mit Einschätzungen, welche Forderungen durchsetzbar sind und welche nicht. Er ist Sachkenner. Dafür wird er eingestellt. Genau auf diese Sachkenntnis kommt es auch bei der Beratung »nach außen« an. Je komplizierter ein Gesetzesvorhaben, umso besser informiert sollten die Entscheider sein. Statt Lobbying zu kritisieren, sollte man es loben, weil Lobbying geeignet ist, Sachverstand und nachvollziehbare Argumente in den politischen Willensbildungsprozess einzubringen.

Insbesondere Verbände stehen fest auf dem Boden des Grundgesetzes, vgl. Art. 9 Abs. 1 GG, Art. 5 GG.

Selbstverständlich verfolgen Wirtschaftsbeteiligte Eigeninteressen. Das ist Politikern hinlänglich bekannt. Wichtig dabei: Es ist von vorherein klar, wessen Interessen Lobbyisten vertreten. Da besteht kein Zweifel. Bei manchen NGOs andererseits kann man nicht unbedingt sicher sein, wen sie vertreten.

Sicher ist: Viele Akteure wollen Politik und öffentliche Meinung beeinflussen. Für alle sollte das Gebot der Transparenz gelten: Wer finanziert, wie kommen Positionen zustande, wer redet mit wem? Dann könnte jeder Bürger nachvollziehen, ob Lobbying funktioniert, und wer gerade wen von was überzeugt hat.