© foodshot.co

Brotbranche quo vadis?

Filialbäcker, Systemgastronomie, Brotbackautomaten. Wo liegt die Zukunft der Branche? Ein Bericht von der 45. Informationstagung an der Beuth Hochschule für Technik in Berlin.

Auch das Backgewerbe unterliegt, trotz eines relativ stabilen Brot- und Backwarenkonsums einem deutlichen Wandel. Die Zunahme der Vertriebswege sorgen in der Backbranche zunehmend für das Verschwimmen von Grenzen der einzelnen Betriebstypen. So werden beispielsweise durch das Entstehen großer Filialbäckereien verstärkt systemgastronomische Ansätze begünstigt. Auf der 45. Informationstagung an der Beuth Hochschule für Technik in Berlin sollten diese und andere Aspekte beleuchtet werden.

Strukturwandel

Obwohl das Backgewerbe die Branche in der deutschen Ernährungsindustrie mit der größten Anzahl der Beschäftigten und den meisten Betrieben ist, sieht es sich einem grundlegenden Strukturwandel gegenüber. Nach wie vor werden Backwaren in einer großen Zahl von Klein- und Mittelbetrieben hergestellt, deren Ursprung im Bäckerhandwerk liegt. Der deutsche Brotmarkt gilt in Europa als der sortenreichste. Das Sortiment umfasst rund 300 Brotsorten und etwa 1.200 Sorten Feingebäck. Aber Großbäckereien, ein sich wandelnder Lebensmittelhandel, die Konkurrenz der Discounter wie Lidl und Aldi und der Filialbäcker setzen dem Einzelbäcker stark zu. Veränderte ökonomische Bedingungen, der Wettbewerb des Lebensmitteleinzelhandels und sich wandelnde Verbrauchergewohnheiten sind zentrale Treiber eines anhaltenden Strukturwandels im Backgewerbe.

Mit der Entwicklung neuer Vertriebsformen wie der Backstationen im Lebensmitteleinzelhandel wird der Preis- und Qualitätswettbewerb zwischen Großbäckereien, Filialbäckereien und kleinen Handwerksbäckereien verstärkt.

Wohin steuert also die Branche? Diese Frage stand bei der 45. Wissenschaftlichen Informationstagung der Berlin-Brandenburgischen Gesellschaft für Getreideforschung in Berlin im Mittelpunkt. Und gleich zu Beginn stellte Helmut Martell die Frage, ob man überhaupt von Steuern sprechen kann. Denn das, so der ehemalige EU-Generalsekretär des Verbandes Deutscher Großbäckereien provokant, würde ja bedeuten, es gäbe einen Plan bzw. ein Ziel. Der deutsche Backwarenmarkt, so seine Ausführungen vor den rund 230 Gästen, ist im Groben durch drei Betriebstypen gekennzeichnet: die traditionellen Handwerksbäckereien, die Filialbäckereien und die Großbäckereien. Doch längst sind die Grenzen fließend geworden. Inzwischen agiert der Handwerksbäcker auch als Systemgastronom, Großbäckereien entwickeln Konzepte, wie sie ihre eigenen Produkte selbst an den Endverbraucher bringen können (Bsp. BackFactory – die zum Konzern Harry-Brot gehört), unter Umgehung des Lebensmitteleinzelhandels. Einzelhändler wie Edeka betreiben inzwischen eigenen Bäckereien und gehen dorthin, wo die Nachfrage entsteht. So können die Mitarbeiter von Audi in Ingolstadt die morgens bei Edeka bestellte Ware direkt vor den Werkstoren abends in Empfang nehmen und müssen nicht in die Filiale zum Einkaufen.

Was seit einiger Zeit in der Backbranche zu beobachten ist, nennt Martell die Hybridisierung der Absatzfunktionen – und formen, der Branchengrenzen und des Handels. Am Ende kann sich das traditionelle Backhandwerk nur dann behaupten, wenn es sich einerseits nicht auf den ruinösen Preiswettbewerb einlässt und sich zum anderen als Nischenanbieter von hochwertigen und teuren Qualitätsprodukten etabliert. Diese Entwicklung (»Slow Baking«) wird verstärkt durch ein gestiegenes Gesundheitsbewusstsein und die zunehmende Unzufriedenheit der Verbraucher mit der Gleichförmigkeit des Backwarenangebotes. Voraussetzung sind Kundengruppen, die über die finanziellen Mittel und einen entsprechenden Lebensstil verfügen, die derartige Konsumgewohnheiten erwarten lassen, und Verkaufskonzepte, die dieses erfolgreich aufgreifen.

Die besondere Preissensibilität der Deutschen beim Lebensmitteleinkauf zeigt sich auch in dem hohen Marktanteil der Discounter. Bereits heute befindet sich ein Viertel des Marktes für Backwaren in der Hand der Discounter. Für den Verbraucher zeigt sich das deutlich am Preis. Während er beim traditionellen Bäcker für ein Kilo vergleichbarer Erzeugnisse im Durchschnitt 7,30 € bezahlt, verlangt der Discounter durchschnittlich nur 3,84 €.

Dem Verbraucher scheint es dabei fast egal zu sein, ob seine Brötchen aus einem Backautomaten kommen (die vorgefertigte Ware wird von einem Großbäcker angeliefert) oder ob es der Handwerksbäcker in alter Tradition in der Backstube morgens um vier eigenhändig herstellt. Die Frage, ob Aldi nun backt oder ob der Begriff den Kunden in die Irre führt und nur der Bäcker wirklich backt, konnte auch ein Prozess in NRW allerdings nicht abschließend klären.

Den größten Wandel aber wird die Branche erfahren, da waren sich die Experten in einer abschließenden Diskussionsrunde einig, wenn ein Online-Anbieter wie Amazon in den Markt der Backbranche einsteigt. Noch befindet sich dieses Segment in einer Pilotphase, aber das ernstzunehmende Angebot, Brot, Brötchen und andere Backwaren ausgewählte Kunden schnell und zuverlässig über einen eigenen Vertriebsweg zu beliefern wird nicht lange auf sich warten lassen.