© Florian Klauer

Das generelle Problem mit E-Mail

E-Mail ist zu einer Plage geworden. Man möchte sich fast die gute alte Briefpost zurückwünschen. Wie kommt man trotzdem mit E-Mail klar? Einige Tipps.

E-Mail ist nicht nur E-Mail

Das generelle Problem mit E-Mail ist, dass E-Mail heute für drei – eigentlich grundverschiedene – Dinge genutzt wird:

  1. Ersatz für herkömmliche Briefpost.
  2. Instant Messaging.
  3. Versand von Unterlagen (Anhängen).
  4. Ablage.

Da haben wir’s: Die Liste enthält vier Punkte, nicht drei. E-Mail ist ja so viel mehr als nur elektronische »Post«. Warum ist das ein Problem? Weil E-Mail für keine der vier genannten Aufgaben optimal geeignet ist und viele Probleme schafft.

1. E-Mail als Ersatz für herkömmliche Briefpost ist viel zu schnell.

Was? War das nicht der Sinn der Sache? Ja, aber während man früher Zeit hatte, auf einen Brief zu antworten – der Postausgang war höchstens zweimal am Tag –, so erwarten heute viele Korrespondenten eine sofortige Antwort. Briefe – oder eben E-Mails – werden aber nicht unbedingt besser, wenn sie unter Zeitdruck geschrieben werden. Meist werden sie auch länger als nötig.

Schnelles Senden erhöht außerdem die kognitive Dissonanz, was erklärt, warum viele Antworten durch weitere Mails ergänzt oder korrigiert werden. Die eigentliche Antwort wird stückweise übertragen und muss vom Empfänger zusammengesetzt werden.

Lösung: E-Mails nur noch ein- bis zweimal am Tag checken und in einem Rutsch bearbeiten. Langsam schreiben. Eben so wie früher die Post.

2. E-Mail als Ersatz für Instant Messaging ist viel zu unübersichtlich.

Weil E-Mail so schnell ist, verleitet sie zu einem »Ping-Pong« wie beim Instant Messaging. Allerdings liegt diese Kommunikation dann nicht als linearer Chatverlauf vor, sondern als E-Mail-Thread: Und hier können einzelne Mails verloren gehen, der Betreff kann sich ändern (was den Thread zerstört bzw. Abzweigungen erzeugt), und all’ diese Mails liegen zwischen den »wichtigen« E-Mails.

Hinzu kommt, dass – je nach Einstellung der verwendeten E-Mail-Clients – jede Antwort potenziell den gesamten vorherigen E-Mail-Verlauf als Zitat enthält. Dies löst zwar das Problem möglicher fehlender Mails, führt aber zu einem enormen redundanten Datenwust und vermindert die Übersichtlichkeit noch weiter.

Lösung: Verwendung eines dezidierten Chat-Programms.

3. E-Mail als Ersatz für den Versand von Unterlagen ist viel zu unzuverlässig.

E-Mails sind eigentlich reine Textdateien. Um Anlagen zu versenden, müssen diese erst in geeigneter Form kodiert und eingebunden werden – um beim Empfänger umgekehrt entschlüsselt zu werden. Das erscheint heute unproblematisch, stellte vor wenigen Jahren aber aufgrund von Inkompatibilitäten der Betriebssysteme und Mail-Clients ein erhebliches Hindernis dar.

Das größere praktische Problem ist heute die maximale E-Mail-Größe. Textdateien brauchen nicht viel Speicherplatz und sind schnell übertragen. Anhänge erreichen heute mühelos die zur Zeit übliche Grenze von 5 MB, die auf den meisten Servern für einzelne E-Mails gilt. Kleinere, aber zusammengehörige Anhänge werden daher meist auf mehrere E-Mails verteilt – s. Problem 2.

Lösung: Versand großer Dateien über Internetdienste, Extranets oder gemeinsam genutzte Cloud-Speicher.

4. E-Mail als Ersatz für eine elektronische Ablage ist viel zu …

…ach, es ist einfach eine Katastrophe!

Die Anforderungen an ein elektronisches Ablagesystem sind Thema ganzer Fachbücher (z. B. Jan Fischbach, Wolf Steinbrecher: Projektablage: Wie aus einer lästigen Pflicht eine mächtige Plattform für Zusammenarbeit wird, Amazon, 2014.). Auf Inside Lobbying haben wir uns auch schon intensiv mit dem Thema befasst. Um es kurz zu machen: E-Mail als Ablagesystem klappt nicht. Alles liegt nur als Anhang (meist ganz unten) in Mails vor. Die Suchfunktion des Mail-Clients berücksichtigt nicht den Inhalt von Anhängen. Die Sortierung der Ablage folgt der Logik der Mails, nicht der Logik der Anhänge. Versionierung ist nicht möglich, gemeinsamer Zugriff (meist) auch nicht.

Lösung: Einsatz eines dezidierten Ablagesystems, im einfachsten Fall ein Bereich des Dateisystems.

Und nun zur Preisfrage

Wenn E-Mail so problematisch ist, warum verwendet sie dann jeder?

Nun, erstens hat sie jeder. Zweitens ist sie schnell. Drittens ersetzt sie ein weiteres Chatprogramm und ein elektronisches Ablagesystem. Hier hat sie sogar den Vorteil, oft einen Kontext für ein Dokument zu liefern, an dem mehrere gemeinsam arbeiten.

Das wesentliche, so scheint mir, ist aber, dass es einfach noch keine realistische Alternative gibt. Zwar gibt es mannigfache Angebote für das verteilte Arbeiten an gemeinsamen Dokumenten, mit integriertem Chat und Projektmanagement – aber so richtig universell ist keine davon; es besteht vielmehr hoher Wettbewerb zwischen den Systemen. Und die Daten liegen meist nicht auf eigenen Servern (wenn sie überhaupt in Deutschland liegen).

Daher wird man an E-Mail auch künftig nicht vorbeikommen. Die einzige Lösung ist, verantwortungsvoll mit ihr umzugehen.

Meine Empfehlungen:

  1. E-Mail wie Briefpost behandeln, d. h. selten und mit Bedacht “anfassen” und die “Briefe”, wenn nötig, in geeigneter Form außerhalb des Mail-Clients archivieren. (s. auch Merlin Mann: Inbox Zero.)

  2. Für den schnellen Austausch Chatprogramme nutzen oder gleich telefonieren – noch so eine altmodische Kommunikationsform!

  3. Mit Partnern die Nutzung von Systemen zum Datenversand vereinbaren. Kleine Anhänge werden auch weiterhin wohl per Mail versandt werden. Diese dann aber gleich in die externe Ablage überführen!

Ein letzter Rat: E-Mails sind keine »sichere« Kommunikation. Behandeln Sie E-Mails so, als müssten Sie davon ausgehen, dass diese sofort öffentlich ausgehängt werden. Dann werden die o.g. Probleme oft gar nicht erst entstehen.