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Dokumentenmanagement, revisited

Mehr als die Windows-Bordmittel brauchen Sie nicht? Dokumentenmanagementsysteme sind doch notwendig! Acht neue Thesen für ein optimales Dokumentenmanagementsystem im Verband.

Bordmittel sind nicht genug

Im allerersten Essay hier in Inside Lobbying ging es um Dokumentenmanagement. Die These darin: Mehr als die Windows-Bordmittel brauchen Sie nicht. Seither hat sich das Thema Elektronische Ablage aber doch etwas weiterentwickelt. Dieser Essay formuliert daher acht neue Thesen für ein optimales Dokumentenmanagementsystem und vergleicht verschiedene Softwarelösungen – teils eingebaut, teils nachzurüsten. Im Ergebnis schneiden sowohl das typische Dateiverwaltungssystem (»Explorer«) als auch die gebräuchliche E-Mail schlecht ab. Sinnvollere aber komplizierter Lösungen lassen sich mit Wikis oder Dokumentenmanagement-Applikationen erreichen. Cloud-Dienste haben das größte Potenzial, bergen aber auch unabsehbare Risiken im Hinblick auf die Datensicherheit.

Das Problem

In Verbänden fallen unzählige Dokumente an: Briefe, E-Mails, Rechtstexte, Sachtexte, Zeitungsartikel, Zeitschriften, Statistiken, Bilder usw. Beim Dokumentenmanagement geht es darum, alle eingehenden Dokumente sachgerecht zu verwalten, d. h. so zur Verfügung zu stellen bzw. zur Verfügung zu halten, wieweit und wie lange sie gebraucht werden. Angesichts der Heterogenität der Dokumente in einem Verband erscheint diese Aufgabe überwältigend.

Wissensarbeit heute findet selten in der klassisch-hierarchischen Strukturen statt, sondern zunehmend in Teams und Projektgruppen, in denen mehrere Personen Zugriff auf einen gemeinsamen Datenpool benötigen. Dennoch soll Dokumentenmanagement einfach bleiben und am besten mit Bordmitteln auskommen.

An anderer Stelle ist argumentiert worden, in einem einfachen System solle man möglichst Medienübergänge vermeiden, sprich: Was Papier ist, bleibt Papier. Inzwischen gibt es jedoch kaum noch eingehendes Papier, dafür aber leistungsfähige Scanner.

Als Zwischenfazit aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass ein einfaches Dokumentenmanagementsystem für den modernen Verband aus einer zentralen elektronischen Ablage aller eingehenden Dokumente besteht, auf die jedes Teammitglied die notwendigen Zugriffsmöglichkeiten hat.

Damit stellt sich die Frage, wie man ein solches System technisch umsetzt. Konkret gibt es in jedem Verband grundsätzlich zwei vorhandene Möglichkeiten: Das Dateisystem und E-Mail. (E-Mail ist aufgrund der Unsitte, massenhaft Dokumente als Anhänge zu versenden, ohnehin schon ungewollt ein Dokumentenarchiv.) Hinzu kommen dedizierte Archivsysteme (die hier nur kurz umrissen werden können). Wenn diese nicht als Applikation installiert, sondern auf einem Web-Server aufgesetzt werden, lassen sie sich leicht als Wiki organisieren. Schließlich werden allenthalben mehr oder weniger spezialisierte Cloud-Lösungen angeboten; eine gängige (Evernote) soll hier kurz angerissen werden.

Die Möglichkeiten:

  1. Dateisystem
  2. E-Mail
  3. Dokumentenmanagement-Apps
  4. Wikis
  5. Cloud-Lösungen

Kriterien

1. Zusammenhang herstellen

Die wichtigsten Eigenschaft eines Archivs ist es, einen Zusammenhang zwischen den enthaltenen Dokumenten herzustellen oder ihn zu erhalten, wo er bereits gegeben ist. Dies ist zum Beispiel automatisch der Fall bei E-Mails mit Anhängen. Häufig enthalten diese E-Mails Kommentare oder Hinweise zu den Anhängen. Ähnlich verhält es sich mit Rundschreiben, die über elektronische Systeme verteilt werden (Extranets) und ihre Anlagen. Eine einfache Speicherung der Anlagen — mit oder ohne ihre Begleittexte — im Dateisystem führt in der Regel dazu, dass dieser Zusammenhang verloren geht.

Im Idealfall ermöglicht ein Dokumentenmanagementsystem daher die Abbildung der Beziehungen zwischen den enthaltenen Dokumenten, ermöglicht die Angabe von Verweisen und hält zusammengehörende Dokumente zusammen. So wichtig diese Anforderung ist, so schwierig ist sie für die meisten Systeme zu erfüllen. Oft muss man dazu einiges an organisatorischer Vorarbeit leisten.

2. Hierarchie darstellen

Einfach ist dagegen die Forderung nach einer »geordneten« händischen Ablage. Selbstverständlich soll ein Archiv nicht nur die Struktur der Dokumente, sondern auch die Struktur der Organisation widerspiegeln. Es ist somit offensichtlich, dass es zumindest irgendeine Möglichkeit geben muss, Dokumente hierarchisch geordnet abzulegen — und nicht alle einfach nur im Ordner »Dokumente« oder im E-Mail-Posteingang.

3. Zweidimensionale Struktur

Schwieriger wird es, wenn ein Dokument im Archiv in mehr als einem Kontext vorkommt und somit im Prinzip mehrmals abgelegt werden muss, z. B. in einem Projektordner und einem Sitzungsordner. In den seltensten Fällen (s. u.) will man tatsächlich mehrere Instanzen der gleichen Datei ablegen. Es muss also neben der primären Ablagestruktur (dem »Ordnersystem«) noch mindestens eine weitere Möglichkeit geben, Dateien eine Struktur zuzuweisen.

Moderne Dateisysteme bringen »Etiketten« oder »Tags« mit, d. s. Stichwörter, die man den Dateien zuweisen kann. Dateien können in der Regel beliebig viele Stichwörter zugewiesen bekommen und so in vielen Zusammenhängen gefunden werden.

4. Duplikate auflösen

Ein häufiges Problem bei Archiven ist, dass Dokumente mehrmals hinzugefügt werden und so redundante Duplikate entstehen. Arbeitet man an einer Kopie weiter, bleiben die anderen unberührt. Es entstehen Inkonsistenzen.

Dies kann gewollt sein (s. u.), aber meist will man dies vermeiden, insbesondere, wenn man sich zum Wiederfinden auf die Suche statt auf ein ausgeklügeltes Ablagesystem (»Aktenplan«) verlässt. (Beides kann sinnvoll sein; auf das Thema Aktenplan soll an anderer Stelle ausführlich eingegangen werden.) Doppelte Dokumente sind ein häufiges Phänomen gerade bei E-Mail.

Ein Dokumentenmanagementsystem muss daher zumindest schnell und einfach Duplikate auflösen und anzeigen können; im Idealfall warnt es bei dem Versuch, ein Duplikat zum Archiv hinzuzufügen.

5. Duplikate verwalten

Andererseits kann es sinnvoll sein, ein Dokument mehrmals an verschiedener Stelle abzulegen, z. B. wenn es in mehreren Projekten benötigt wird oder in einem thematischen Kontext einerseits und als Sitzungsunterlage andererseits. Idealerweise abeitet das Dokumentenmanagementsystem in diesem Fall intern nur mit einer Kopie der Datei und legt in den weiteren Kontexten lediglich Verweise darauf an. Die meisten Dateisysteme kennen diese Funktion (»Alias« bei Mac OS X, »Verknüpfung« bei Windows).

6. Versionsmanagement

Schließlich kommt es häufig vor, dass man Dokumente dupliziert und leicht verändert wieder speichert, z. B. bei einer fortlaufenden Überarbeitung eines Positionspapiers. Ein transparentes Versionsmanagement gab es schon bei frühen Dateisystemen und ist seit Version 10.8 Teil von Mac OS X. Im Idealfall enthält ein Archiv stets auch eine »Historie« aller Dokumente.

(Exkurs Versionsmanagement: Dieses gab es z. B. beim Betriebssystem VMS, wo jedes Speichern einer Datei eine neue Datei erzeugte. Man konnte zwischen ihnen hin- und herspringen und schließlich alle alten Versionen auf einen Rutsch löschen (»purge«). Das System hatte seinen technischen Grund in der Benutzung von Bandlaufwerken zur Datenpeicherung. Heute ist dieser Grund entfallen und das Prinzip kehrt leider erst allmählich wieder in die Betriebssyteme zurück.)

7. Gleichzeitige Bearbeitung

Das Stichwort Teamwork wurde schon genannt. Ein Dokumentenmanagement soll zumindest ermöglichen, dass mehrere Personen das Archiv nutzen können. Es ist aber meist nicht notwendig, für jede Datei genau zu vermerken, wer wann welche Änderung vorgenommen hat; auch braucht es nicht umbedingt eine differenzierte Zugriffssteuerung.

8. Mobile Bearbeitung

Ein relativ neues Phänomen ist, dass Dokumente nicht mehr nur noch „im Büro“ verfügbar sein müssen. Früher hat man Sitzungsunterlagen ausgedruckt und mitgenommen. Dokumentenmanagement heute heisst, dass ein Zugriff aufs Archiv von unterwegs möglich sein muss.

Die Lösungen

Wie eingangs umrissen, gibt es fünf wesentliche Ordnungssysteme, die im folgenden kurz anhand der oben genannten acht Kriterien gemessen werden sollen. Am Ende des Artikels gibt es dazu nochmals eine tabellarische Zusammenfassung.

Dateisystem

Der »Finder« bzw. »Explorer« sind die eingebauten Datenmanagementsysteme von Mac OS X und Windows. Das Prinzip gibt es in allen Betriebssystemen.

E-Mail

Mit IMAP lässt sich E-Mail über beliebig viele Endgeräte synchronisieren.

Dokumentenmanagement-Apps

Eine Übersicht kann hier nicht gegeben werden. Beispielhaft wird Bezug genommen auf DEVONthink, eine Software für Mac OS X.

Wikis

Bekannt durch Wikipedia, können derartige Systeme auch Dokumente verwalten. Ein spezialisiertes Wiki zur Dokumentenverwaltung, das sowohl lokal als auch auf dem Server aufgesetzt werden kann, ist z. B. DokuWiki. In Mac OS X kann ein Wiki leicht nachgerüstet werden oder ist im Rahmen der Server-Variante des Betriebssystems bereits vorhanden. (Mehr zum Einsatz eines Wikis und weitere Gedanken zum Dokumentenmanagement finden sich in dem exzellenten Organizing Creativity von Daniel Wessel.)

Cloud-Lösungen

Die Cloud kann ein Dateisystem anbieten (Amazon S3, Microsoft OneCloud, Dropbox, usw.), einen elektronischen Zettelkasten bzw. Notizbuch (Evernote, Microsoft OneNote usw.) oder ein komplettes Kollaborationssystem (http://samepage.io et al.). In diesem Artikel kann auf die vielfältigen Möglichkeiten nicht eingegangen werden, er beschränkt sich daher auf die Notizbuchlösungen.

Eignung in der Praxis

Wie geeignet sind nun die einzelnen Systeme im Hinblick auf die verschiedenen Anforderungen?

Zusammenhang herstellen, Hierarchie darstellen, zweidimensionale Struktur ermöglichen

Gewinner in dieser Kategorie ist die E-Mail. Mails und ihre Anhänge haben einen natürlichen Zusammenhang, Mails, Weiterleitungen und Antworten stellen Beziehungen zwischen diesen Dokumentengruppen her. Darüber hinaus ist die Ablage in Ordnern möglich. Mails können schließlich mit Markierungen und Tags versehen werden.

Eine Verlinkung von Dokumenten untereinander, die Erstellung von Inhaltverzeichnissen, Übersichten und erläuternden Texten ist ebenfalls sehr gut, aber etwas aufwändig, in Wikis möglich.

Die üblichen Dateisystem bieten wenig Komfort zur Strukturierung von Daten. Zwar lassen sich Ordnersysteme und Verweise erstellen, aber echte Links zwischen Dateien fehlen. Diese werden mitunter von Dokumentenmanagement-Apps ermöglicht, wenn diese auf dem Dateisystem aufsetzen.

Am wenigsten transparent ist dies in Cloud-Notizbüchern gelöst. Oft müssen Dokumente entweder „lose“ eingefügt oder als „Anhang“ zu einem Textdokument eingebettet werden (wie in einer Mail).

Duplikate auflösen und verwalten, Versionsmanagement

Ein auf dem Dateisystem aufsetzendes Dokumentenmanagementsystem wie DEVONthink ist hier die beste Lösung, weil es die Grundfunktionen des Dateisystems unterstützt bzw. leichter nutzbar macht.

Wikis enthalten diese Funktionen häufig auch oder lassen sie leicht nachrüsten. Sie sind mächtiger als das Dateisystem aber umständlicher implementiert als App-Lösungen.

Cloud-Notizbücher und E-Mail versagen hier völlig.

Gleichzeitige und mobile Bearbeitung

Cloud-Lösungen sind offensichtlich für diese Anforderungen gemacht. Sie verdanken ihre Beliebtheit nicht zuletzt dem umständlichen mobile Zugang zu Server-Dateisystemen mittels VPN, FTP usw. Auch Wikis sind normalerweise aus dem Internet erreichbar und bei geeigneter Einrichtung auch auf mobilen Geräten nutzbar. E-Mails werden heute in aller Regel sowohl mobil wie auch stationär genutzt, allerdings setzt die gleichzeitige Nutzung eines gemeinsamen E-Mail-Kontos großes Vertrauen in die jeweiligen Partner voraus.

Nr.AnforderungExplorerE-MailAppWikiCloud
1Zusammenhang herstellen+++-
2Hierarchie darstellen++++
3Mehrere Dimensionen++
4Duplikate auflösen-++-
5Duplikate verwalten-++-
6Versionsmanagement-+-
7Gleichzeitiges Arbeiten+++++
8Mobiles Arbeiten++++

Ergebnis

Je nach Anforderungsblock schneiden die verschiedenen Systeme unterschiedlich gut ab. Die beste Struktur bietet E-Mail. Das beste Management von Dateien, Duplikaten und Versionen ermöglicht ein dediziertes Dokumentenmanagementsystem. Mobil sind jene Daten am besten nutzbar, die in einer Cloudlösung gespeichert wurden.

Alle Anforderungen erfüllt ein eigens aufgesetztes Wiki, allerdings ist dies im täglichen Umgang meist umständlich und kompliziert zu bedienen. Dort, wo die Schnelligkeit der Arbeitsabläufe wichtiger ist als die Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Ordnung des Archivs stellen sind Wikis Overkill.

Einen guten Kompromiss erzielt man mit eine Dokumentenmanagementsystem, das auf dem Dateisystem aufbaut. So erhält man zusätzlich zum gewohnten Workflow weitere wichtige Funktionen wie das Management von Duplikaten und Versionen. Wer darauf verzichten kann, kommt auch mit dem reinen Dateisystem, einigen Konventionen zur Ablage, viel Handarbeit und der Einrichtung eines Remote-Zugangs für die mobilen Endgeräte aus.