Projektkoffer
Tim Gouw

Wie macht man Dokumentenmanagement im Verband richtig?

Ein Dokumentenmanagementsystem braucht kein Verband. Der Verwaltungsaufwand soll schließlich kleiner werden, nicht komplizierter. Eine gute Suchfunktion und ein klarer Aktenplan führen deutlich weiter.

Wohin mit all’ den PDFs?

In dieser Woche riefen mich gleich vier Dienstleister an, die ihre Systeme verkaufen wollten: Unser Webhoster, der ein eigenes CRM-System für seine Kunden (hauptsächlich Verbände) geschrieben hat, der Hersteller unseres Photokopierers, der seit Jahrzehnten das «papierlose Büro» propagiert, der Anbieter der “führenden” Lösung für Windows, dem Namen nach ein “Traum”, und die Firma SAP, eigentlich dafür bekannt, nur mit “großen” Kunden zusammenzuarbeiten. Offensichtlich ist hier ein Markt entstanden, der heiß umkämpft ist.

Dokumentenmanagement – darunter verstehen die vier Anbieter und die meisten anderen Marktteilnehmer im Kern die zentrale Ablage, Verwaltung und Zugriffsteuerung aller im Haus erstellten bzw. gesammelten Dokumente in elektronischer Form. Das Leistungsspektrum reicht dabei vom Einscannen per Post erlangter Briefe mit automatisierter #Verschlagwortung über die Versionsverwaltung selbst erstellter Schriftstücke und deren Bereitstellung auf mobilen Endgeräten bis hin Veröffentlichung als elektronisches Rundschreiben mit Zugriffskontrolle für die Mitglieder. Ein weites Feld. Es gibt sogar eine eigene Messe dafür, die DMS EXPO.

Aber wer braucht das?

Problem 1: Der Medienübergang

Alles, was Papier ist, sollte Papier bleiben.

Wollen Sie wirklich alles nur noch elektronisch aufbewahren? Wieviele Dokumente drucken Sie aus, um sie in Ruhe zu lesen? Können Sie Druckfehler auch nur “auf Papier” sehen? Warum also Dokumente, die Sie auf Papier erhalten, einscannen? – Um sie später wieder auszudrucken?

Wie schnell ist Ihr Zugriff auf Dokumente im Dateisystem? Funktioniert die Suche? Haben Sie vor Ihrer nächsten #Dienstreise alle Dokumente, die Sie benötigen, auf Ihren Laptop oder Ihr iPad kopiert? Oder haben Sie bisher einfach die Papier-Mappe eingesteckt, die ohnehin auf dem Schreibtisch lag?

Problem 2: Wissensmanagement

Wieviele Dokumente müssen Sie aufbewahren, um später darauf nocheinmal zurückzugreifen, z. B. Rechtstexte, Sitzungsprotokolle, Studien, Finanzdokumente? Haben Sie diese Dokumente auf Papier? Stehen sie an einem zentralen Ort im Büro bereit?

Oder sind sie irgendwo im Dateisystem versteckt, mit unmöglich zu merkenden Dateinamen? Wäre es sinnvoller, diese Dokumente in einem zentralen Ordner zu speichern und klar zu benennen? Zweifellos. Dann tun sie das. Dafür brauchen Sie kein extra Dokumentenmanagementsystem. Ihr Computer (oder Server) hat schon eins eingebaut.

Alle anderen Dokumente: Wie lange ist ihre “Lebenszeit”? Wer in ihrer Organisation braucht darauf im einzelnen Zugriff? Muss der Zugriff protokolliert werden? Nach meiner Erfahrung haben die meisten Papiere im Verbandswesen eine Halbwertszeit von einer Woche. Während sie aktuell sind, erinnern sich die damit befassten Personen gut, wo sie abgelegt sind – danach ist ihr Speicherort wie ihr Inhalt in der Regel völlig irrelevant.

Eine Ausnahme sind natürlich die “Rundschreiben”. Sie werden ohnehin in aller Regel in einem elektronischen System verteilt, sei es per E-Mail, sei es per “Extranet”. Hier haben Sie eine Schriftenreihe, die die Zeit überdauern soll, und hier haben Sie auch ein angemessenes System. Ein weiteres, das im übrigen meist nicht ohne weiteres mit Ihrem Rundschreibensystem zu vereinen ist, braucht es eher nicht.

Problem 3: Problemlösung oder Problemverlängerung?

Heute versucht man, uns Systeme zu verkaufen, die ein imaginäres Problem lösen sollen, nämlich die “Unordnung” in unserer Ablage. Weil wir immer weniger Papier verwalten und damit die eingespielten Papier-Ablagesystem nicht mehr greifen und neue elektronische Ablagesysteme angeblich noch nicht existieren, um die “Lücke” zu schließen. Dabei ist die Frage doch eher: Haben wir nicht früher viel zu viel Papier abgelegt (und nicht wiedergefunden)? Das eigentliche Maß für die Effizienz des Ablagesystems ist nicht die Komplexität oder Ausgefeiltheit des Systems selbst, sondern die Zeit, in der man ein benötigtes Dokument findet. Meine These: Zeitgemäß ist nicht die Verschlagwortung, sondern die Suche. Mit #Google Desktop oder ähnlichen Lösungen kommen Sie ans Ziel.

Ein weiteres angeblich zu lösendes Problem ist die mangelhafte “Bereitstellung von Informationen” für die Mitarbeiter. Die Zusammenarbeit mit den gesammelten Informationen funktioniere nicht, Wissen sei nicht verfügbar. Neue Systeme würden helfen, gemeinsam an einem Dokument zu arbeiten, sogar an verschiedenen Standorten und mobil. Aber mal ehrlich: Wozu gibt es E-Mail?

Fazit

Never change a running system.

Elektronische Ablage und Weitergabe von Dokumenten ist nicht so neu, dass man jetzt ein System dafür einführen müsste. Das Dateisystem, die Suchfunktion, E-Mail sowie die existierenden Verbände-Extranetze sind eingespielte, funktionierende Methoden, um alle elektronischen Dokumente schnell bzw. mobil verfügbar zu machen.

Die Hersteller von Dokumentenmanagementsystemen kommen ein bis zwei Jahrzehnte zu spät. Das papierlose Büro – so es existiert – ist bereits eingespielt.