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Der Erfolg hat viele Väter

Der Erfolg hat viele Väter; das gilt auch für Verbände. Selten ist die Erreichung eines politischen Ziels das Verdienst einzelner.

»Damit haben wir unser Ziel erreicht.«

Dieser Satz ist eine Lüge.

Am liebsten verkündet der Verbandsmanager seinem Vorstand die Erreichung eines politischen Ziels: Zufriedene Mitglieder, die Finanzierung des Verbandes wieder einmal vorerst gesichert, das eigene Ego befriedigt. Aber die Erfolgsmeldung ist Augenwischerei. Ein Beispiel:

Der Mindestlohn

Im Jahr 2014, als der Mindestlohn eingeführt werden sollte, beklagten sich die Bauern und einige Branchen des Handwerks und der Industrie über die abrupten hohen Lohnsteigerungen in den untersten Lohngruppen. Zu recht, denn zum Teil verdoppelten sich am 01.01.2015 die Arbeitskosten, weil zu den höheren Stundenlöhnen auch vielfach erstmals Sozialversicherungsbeiträge hinzukamen. Um die höheren Belastungen etwas abzufangen, entschied sich der Bundestag, die Zeitspanne zu verlängern, in der Saisonarbeitskräfte ausnahmsweise sozialversicherungsfrei beschäftigt werden dürfen. Diese Zeit wurde von 50 auf 70 Tage verlängert; die Regelung wurde aber auf einen Übergangszeitraum von drei Jahren begrenzt.

Für die betroffenen Verbänden war diese Übergangsregelung ein Erfolg, zweifellos. Es ist nicht überliefert, inwieweit dieser Erfolg ausgekostet wurde, immerhin wurde er von dem Misserfolg überschattet, den Mindestlohn selbst nicht verhindert zu haben.

Die 70-Tage-Regelung

Vorige Woche nun hat das Kabinett beschlossen, die 70-Tage-Regelung zu »entfristen«, d. h. auch nach der dreijährigen Übergangszeit, die Ende 2018 abläuft, weiter bestehen zu lassen. Es ist ein guter Beschluss, besonders für die Bauern. Denn die 70 Tage Sozialversicherungsfreiheit gibt ihnen die Möglichkeit, genau für die Dauer der Ernte eine »Mannschaft« von Saisonarbeitskräften einzustellen; die typischerweise aus dem Ausland kommenden Saisonarbeitskräfte erhalten 20 Tage länger eine Arbeitsstelle; und inländischen Arbeitskräften wird sowieso kein Arbeitsplatz weggenommen.

Diesem Beschluss waren viele, viele Kontakte der betroffenen #Verbände mit Politikern in Berlin und den Bundesländern vorausgegangen. Das Kabinett war sich zunächst nicht einig, hat dann aber doch zu dem Beschluss gefunden. Wer kann den Erfolg nun für sich verbuchen? Jeder Verband, der sein eigenes Lobbying als ursächlich darstellt, verbiegt die Wahrheit.

Lobbying = Netzwerken

Es ist vielmehr so: Man führt ein Gespräch mit einem Politiker. Dieser hört aufmerksam zu und fragt dann, welche Unterstützer es noch gebe. Für jedes politische Vorhaben braucht man eine #Mehrheit. Meist liegt es an den Lobbyisten, diese Mehrheit zu organisieren. Es kommt darauf an, möglichst viele Unterstützter zu finden, am besten quer durch alle Regierungsparteien. (Die Opposition hilft manchmal auch.)

Und noch besser ist es, wenn hinter einem Vorhaben nicht nur ein einzelner Verband steht, sondern mehrere. Erstens gibt das dem Vorhaben mehr Gewicht, zweitens kann man sich bei der Organisation einer Mehrheit absprechen und aufteilen. Der Erfolg wird so wahrscheinlicher. Nur ist es eben nicht mehr der alleinige Erfolg. Das sollte man als Lobbyist seinen Mitgliedern fairerweise dazusagen.