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Krisenkommunikation (Teil 2)

Anleitung zur effektiven Krisenkommunikation

Krisen, so wie wir sie heute erleben, haben fast alle einen einheitlichen Verlauf. Erst kommt der Schock, ausgelöst durch das Krisen-Ereignis. Die Explosion auf dem Werksgelände; die Umstrukturierung im Unternehmen; die Werksschließung; der verpatzte Test des neuen Spitzenmodels des Automobilherstellers (Mercedes A-Klasse); die verunreinigten Lebensmittel; das Ausspähen der Mitarbeiter oder ein Greenpeace-Spot. In ihrer Langzeitwirkung haben diese Beispiele eines gemeinsam: Es liegt in der Psychologie des Menschen, das er Negatives viel länger im Gedächtnis behält als Positives! Merkmal der Schock-Phase ist, dass keiner im Unternehmen, von den ewigen Schwarzsehern mal abgesehen, auf das Ereignis vorbereitet ist. Und die meisten Entscheidungsträger sind es nicht gewohnt, haben es nicht geübt, mit solchen Situation umzugehen. Folge: kommunikative Schockstarre.

Dem Schock folgt der defensive Rückzug. Die handelnden Personen, das Unternehmen, die Behörde versucht zunächst den Vorfall, das Unglück, den Vorwurf entweder zu leugnen oder zumindest das Geschehen herunterzuspielen. Meist wird auch eine Beteiligung abgestritten oder die Schuld auf andere versuchsweise geschoben. Wenn das nicht geht, weil die Krise eindeutig zugeordnet werden kann, wird das Unternehmen schnell versuchen, eine sofortige Lösung anzubieten oder in Aussicht zu stellen. Egal, ob das Management, die Behörde, der Einzelnen, eine solche Lösung schon kennt geschweige dafür einen Plan hat.

Daraus folgt in der Regel das Eingeständnis. Die Fehler, die gemacht worden sind, werden eingestanden. Der Vorteil eines solchen Eingeständnisses: In der Regel wird die Diskussion dadurch versachlicht und die Handelnden werden in der öffentlichen Wahrnehmung positiver betrachtet.

Am Ende der Krise steht dann ein Prozeß, der sich mit Anpassung und Veränderung beschreiben lässt. Die Forderungen der Öffentlichkeit werden aufgenommen, umgesetzt oder erfüllt. Das Unternehmen zieht, wenn möglich, die Konsequenzen aus der Krise und strukturiert die Organisation, das Management, den Informationsfluss etc. neu bzw. um.

Ein Blick in die Geschichte schlechter bzw. misslungener Krisenkommunikation

Der Fall Nokia aus dem Jahr 2008

Der finnische Handy-Hersteller kündigte in diesem Jahr an, die Produktion aus dem Werk in Bochum mit 2.300 Mitarbeiten in die rumänische Stadt Cluj zu verlegen. Als Grund gab das Unternehmen an, dass die Produktion dort billiger sei. Zur Erinnerung: das Bochumer Werk war über Jahre hinaus mit öffentlichen Mitteln in Höhe von 41 Millionen Euro subventioniert worden. Dieses Geld forderte die damalige Landesregierung unter Jürgen Rüttgers (CDU) zurück. Und die öffentlichen Reaktionen auf die angekündigte Werksschließung wurden heftig. Peter Struck, zu der Zeit SPD-Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag, wies seine Büro an, ihm statt seines Nokia-Gerätes umgehend ein anderes Handy zu besorgen. Der Kommunikationsexperte Struck teilte dies auch gleich der »Bild-Zeitung« mit, was einem Boykott-Aufruf gleichkam.

Was hat Nokia bzw. die Kommunikationsabteilung des Unternehmens falsch gemacht?

  1. Das Unternehmen hat viel zu langsam bzw. zu spät reagiert. Das Management hätte die vorhersehbaren Szenarien, die mit der Ankündigung der Werkschließung einhergehen würden, durchspielen müssen, um daraus die entsprechenden Reaktionen vorzubereiten. Eine Folgeabschätzung, ein Denken vom Ende her in Form von »Was passiert, wenn wir dieses oder jenes tun« ist anscheinend nicht erfolgt.

  2. Kommunikation nach innen. Ein oft gemachter Fehler. Die Mitarbeiter erfahren die schlechte Nachricht zuletzt bzw. wie im Fall Nokia aus den Medien. Diese Missachtung der Angestellten zerstört das Image des Unternehmens nachhaltig und zeigt, wie wenig Nokia seine Mitarbeiter geschätzt hat. Auch hier hätte das Unternehmen, u. U. mit der Unterstützung eines externen Beraters, die Entscheidung und die Folgen kommunikativ vorbereiten müssen.

  3. Vertrauen wurde leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Schweigen in einer Krisensituation schafft den Nährboden für Spekulationen, für Misstrauen und für Falschmeldungen. Schweigen ist eine der Todsünden in der Krisenkommunikation! Schweigen zerstört Vertrauen. In Krisenlagen muss eine deutliche Bereitschaft zur Kommunikation mit der Öffentlichkeit signalisiert werden.

  4. Arrogant sein. Es ist schon bemerkenswert, wie sehr ein global agierendes Unternehmen regionale Gegebenheiten missachtet und ignoriert. Die deutsche Nokia-Niederlassung und ihre Kommunikationsabteilung hätten lange im Vorfeld sowohl zu den wichtigsten Medien im Ruhrgebiet, in NRW und den führenden Wirtschaftsjournalisten Kontakt aufnehmen müssen, um diese für solche Veränderungen zu sensibilisieren. Hier zeigt sich übrigens, dass Krisenkommunikation nur dann Erfolg haben kann, wenn schon vor der Krise eine ausreichende und vertrauensvolle #Öffentlichkeitsarbeit geleistet worden ist bzw. geleistet wird. Hinzukam, dass Nokia die viel zu spät einberufene Pressekonferenz nicht im Werk in Bochum, sondern im fernen Düsseldorf abhielt. Warum die Finnen das gemacht haben, bleibt bis heute ihr Geheimnis. Aber: Eine größere Missachtung gegenüber seinen Mitarbeitern und der Region konnte Nokia nicht an den Tag legen.

  5. Risiko des Imageschadens. Welchen Schaden Nokia sich und seinem Land zugefügt hat, kann man nur ahnen. Fest steht: Der Marktanteil Nokias ging in den ersten sieben Monaten 2008 um acht Prozent auf 36 Prozent zurück. Nokia verkaufte, laut Capital, rund zwei Millionen Handys weniger.

In der Auswertung hat Nokia so ziemlich alles falsch gemacht, was ein Unternehmen in einem solchen Fall falsch machen kann. Besonders bemerkenswert ist, dass diese Krise zunächst keine gewesen ist. Es ging um eine Werksschließung. Eine solche Entscheidung ist nie einfach, aber man kann sie auch ohne Image- und Markenschaden überstehen, wenn das Management und die Abteilung Kommunikation diese Entscheidung richtig vorbereitet.

Vermeiden Sie bitte:

Die sieben Todsünden:

  • Beschönigungen
  • Schweigen
  • Negieren
  • Lügen
  • Bagatellisieren
  • Verkomplizieren
  • Schuldzuweisungen

Wenn Sie das verinnerlichen, dann haben Sie einen wichtigen Schritt in Richtung erfolgreiche Krisenkommunikation gemacht.

Fortsetzung folgt.