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Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen

Ein stabilisierender Sieg für die Parteien der Großen Koalition – aber auch für die Große Koalition?

Die Herausforderung abgewendet

Die amtierenden Ministerpräsidenten der ostdeutschen Länder Sachsen und Brandenburg haben bei der Landtagswahl am vergangenen Sonntag die Herausforderung der rechtsextremen AfD abgewendet. Umfragen in den vergangenen Monaten hatten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und AfD in Sachsen und SPD und AfD in Brandenburg vorgeschlagen, mit der Möglichkeit, dass die AfD in beiden Ländern den ersten Platz erreicht. Die beiden Ministerpräsidenten und ihre Parteien – Michael Kretschmer (CDU) in Sachsen und Dietmar Woidke (SPD) in Brandenburg – mussten im Vergleich zu den letzten Wahlen 2014 deutliche Verluste hinnehmen, konnten aber dennoch die Spitzenplätze in ihren jeweiligen Ländern erreichen.

Kretschmer und Woidke stehen nun vor der Herausforderung, neue Koalitionen zu bilden, da die Parteien, die ihre Koalitionen in der letzten Legislaturperiode gebildet haben (Sachsen: CDU/ SPD; Brandenburg: SPD/ Linke), keine gemeinsame Mehrheit mehr haben. Die wahrscheinlichsten neuen Konstellationen, an denen jeweils drei Parteien beteiligt sind, sind eine CDU/SPD/Grüne-Koalition in Sachsen und entweder eine SPD/Grüne/Linke- oder eine SPD/CDU/Grüne-Koalition in Brandenburg.

Stabilität auch in Berlin?

Die mittelfristigen Auswirkungen der regionalen Ergebnisse in Sachsen und Brandenburg auf nationaler Ebene sind schwer abzuschätzen. Allerdings kann man mit Fug und Recht sagen, dass die Ergebnisse eine stabilisierende Wirkung auf die Bundesregierung haben können. Die beiden Fraktionen der Großen Koalition (CDU/CSU und SPD) haben trotz der Verluste gegenüber den letzten Wahlen 2014 respektable Ergebnisse erzielt. Dieses Ergebnis stärkt die Kräfte, die die Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 fortsetzen wollen, deutlich.

Führende Politiker des grösseren Partners CDU/CSU haben wiederholt ihr starkes Engagement für die Fortsetzung der Koalition bekundet. Die Wahlen am vergangenen Wochenende werden diese Haltung kaum ändern. Die Entscheidung über die Zukunft der Regierung liegt daher in der Hand der SPD. Zwei Ereignisse sind innerhalb der Entscheidungsklausel der Partei entscheidend: Die Wahl einer neuen Parteiführung und die Verhandlungen über die so genannte »Revisionsklausel« im Koalitionsvertrag, die vorsieht, dass die der Regierung angehörenden Parteien die Koalition und ihre Ziele zwei Jahre nach der Wahl – also in diesem Herbst – neu bewerten.

Doch was folgt jetzt?

In allen Parteizentralen – wahrscheinlich mit Ausnahme der AfD – rauchen nun die Köpfe über die Ursachen der Stimmenverluste. Interessant sind dabei die Erklärungen, die beiden Ministerpräsidenten am Sonntag und am Montag dazu abgegeben haben.

Taten statt Worte?

Dietmar Woidke (SPD) amtierender und wahrscheinlich auch zukünftiger Ministerpräsident Brandenburgs erklärte am Montag:

Was die Menschen wollen, ist Sicherheit: soziale Sicherheit, Sicherheit im Alter, einen starken Staat im Sinne der inneren Sicherheit. Und sie wollen stabile politische Verhältnisse. Und es geht den Leuten auf die Nerven, dass in der SPD immer über die große Koalition gejammert wird. Diese ständige Diskussion nervt nicht nur mich, sondern auch die Menschen im Lande.
– Dietmar Woidke (SPD)

Aha, kann man da nur sagen. Und gleich die Frage anschließen: Wer hat in den letzten 30 Jahren in Brandenburg regiert? Wer ist verantwortlich dafür, dass Schulen im Land und Krankenhäuser geschlossen, Buslinien eingestellt, verschiedene Betreuungseinrichtungen geschlossen oder abgebaut werden. Wer, wenn nicht die Landesregierung die, mit Ausnahme der letzten zehn Jahre, alleine von der SPD gestellt worden ist. Wer jetzt plötzlich von »wir müssen mehr zuhören, mehr rausgehen« redet, der muss sich die Frage gefallen lassen, was er (gemeint sind die Landesregierung und der Ministerpräsident) eigentlich in den letzten 30 Jahren gemacht haben? Nichts, könnten man meinen, wenn es jetzt heißt »Wir müssen wieder rausgehen zu den Leuten!«

Die Menschen wollen Taten, kein Politsprech.

Die Menschen in den beiden Bundesländern wollen Taten, kein Politsprech. Das haben sie sich mehr als 30 Jahre lang anhören müssen. Sie wollen Arbeitsplätze, das Gefühl der Sicherheit, eine gute digitale Anbindung, einen funktionierenden ÖPNV, gute medizinische Nahversorgung. Und was antwortet die SPD? Sie will den Menschen vor Ort mit gestiegenen Sozialleistungen helfen. Ich glaube nicht, dass die Menschen dort Almosenempfänger sein wollen. Sie wollen an der Gesellschaft erfolgreich teilhaben. Und das bedeutet mehr Arbeitsplätze, dann gehen nämlich auch die nicht weg, die sich jetzt möglicherweise abgehängt fühlen.

Immer wieder ist zu hören:

Wir sind sehr erleichtert, dass wir in Brandenburg die AfD als stärkste parlamentarische Kraft verhindern konnten.
– Thorsten Schäfer-Gümpel (SPD)

Wenn das die einzige Antwort, der einzige Trost nach dem schlechten Abschneiden der SPD ist, ahnt der Betrachter, dass die Partei auch diesmal keine Antwort, kein Konzept hat und nicht weiß, wie es sie aus dem Tal der Niederlagen herauskommen soll.

Zuhören. Anpacken.

Aber auch Michael Kretschmer, der CDU-Ministerpräsident von Sachsen, muss sich diese Fragen gefallen lassen. Nur hat er frühzeitig die Kurve bekommen und ist aufs Land gegangen. Um mit dem großen, ehemaligen SPD-Vorsitzenden Siegmar Gabriel zu sprechen: Er ist dahin gegangen, wo es weh tut. Der Wahlsieg ist sein Ergebnis. Eine CDU-Vorsitzende hat mit ihren Ausfällen dazu wenig beigetragen. Wenn er eine Regierung gebildet hat, wird er zeigen müssen, dass er verstanden hat, was die Menschen in Sachsen von ihm erwarten. Taten statt Worte.