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Lobbyisten, die stille Macht im Land?

Alte Vorurteile

Gestern Abend zur besten Sendezeit im SWR: »Leif trifft … Lobbyisten – die Stille Macht im Land«. Was ist davon zu halten?

Was ein interessanter Insider-Beitrag hätte werden können, fiel leider ab zu einer Sammlung altbekannter Vorurteile: Lobbyisten sind alle schlecht, handeln ausschließlich zum Schaden des Staates und des Wählers. Sie, die Lobbyisten, sind übermächtig, der Politiker ist dumm und ohnmächtig und hat nie eine eigene Meinung, sondern nimmt immer nur die des Lobbyisten an, mit dem er ständig Geheimgespräche führt oder zu Mittag isst.

Wenn das das Bild ist, das Herr Leif von den deutschen Abgeordneten hat, dann bedient er sträflicherweise nur ein weiteres Vorurteil. Nämlich das einer breiten Bevölkerungsschicht, die Politiker für korrupt, faul und dumm hält. Dabei sollten sich sowohl der SWR als auch Herr Leif einmal fragen, ob sie damit nicht zur Politik- und Politikerverdrossenheit in Deutschland einen gehörigen Beitrag leisten. Einen unnötigen, weil falschen Beitrag.

Ja, es gibt immer wieder mal Negativbeispiele: Da werden Gesetzestextentwürfe von der Industrie geschrieben, da sitzen Unternehmensvertreter monatelang in Ministerien und arbeiten an Vorlagen mit, Abgeordnete stehen im Salär von Firmen und geben das als Nebeneinkünfte gegenüber der Bundestagsverwaltung nicht an. Aber ist das der Freibrief, alle Abgeordneten und Ministeriumsvertreter in einen Topf zu werfen?

Sachverstand statt Einflussnahme

Immer wieder verlangen wir, dass mehr wirtschaftlicher Sachverstand Einzug in die Politik halten solle. Umgekehrt werfen wir der Industrie, den Unternehmern vor, sie hätten keine oder wenig Ahnung, wie Politik funktionieren würde. Gibt es dann aber den Austausch zwischen den beiden Seiten — in Form von Gesprächen, Wechseln von der einen auf die andere Seite etc. — dann ist der Aufschrei groß und die Empörung ebenso. Dann wittern die sogenannten Enthüllungsjournalisten gleich den Ausverkauf der Republik, und dass die wahren Mächtigen nicht die Politiker, sondern die Lobbyisten seien.

Glauben wir denn wirklich, dass der eine Abgeordnete, nur weil sie mit einem Lobbyisten zu Mittag gegessen hat, gleich die Meinung des Industrie- oder Verbandsvertreters eins zu eins übernimmt und in dessen Sinn Politik macht? Ich finde, ein wenig mehr Intelligenz, ein wenig mehr Selbstbewusstsein und ein wenig mehr Unabhängigkeit und die Fähigkeit sich eine eigenen Meinung zu bilden, sollten wir unseren gewählten Volksvertretern schon zutrauen.

Drehtüren, Karenzzeiten und Berufsverbote

Kommen wir zu einem weiteren Vorwurf, nämlich der Frage nach der Anschlussverwendung, wenn der Politiker nicht mehr im Parlament oder in einem Ministerium tätig ist. Entweder, weil abgewählt worden ist, seine Amtszeit zu Ende oder er nach einem Regierungswechsel im Ministerium das falsche Parteibuch hat. Oder einfach auch keine Lust mehr hat, auf die Tretmühle Politik.

Wohl dem, der noch ein eigenes Unternehmen oder eine Anwaltskanzlei betreibt. Und die anderen? Die Forderung nach einer Karenzzeit, einer sogenannten Abkühlphase nach dem Ausscheiden aus dem Amt macht ja Sinn. Und jeder Politiker ab Staatssekretär aufwärts sollte sich Wechsel in artverwandte Unternehmen gut überlegen. In solchen Fällen mag es sinnvoll sein, ein Zeitpolster zwischen Ausscheiden und neuem Job zu legen.

Aber wollen wir Abgeordnete, Staatssekretäre, Minister gleich mit einem Berufsverbot belegen? Denn darauf würde es hinauslaufen, wenn man sagt, derjenige darf erst drei Jahre nach seinem Ausscheiden wieder einen (lukrativen) Job in der Wirtschaft annehmen. Darüber aber scheinen die Kritiker kaum einen Gedanken zu verlieren.

Siegmar Gabriel, SPD-Vorsitzender und Bundeswirtschaftsminister hat Recht, wenn er sagt, es sei nicht fair, den Wechsel von der Politik in die Wirtschaft immer gleich als bösartigen Lobbyismus zu bezeichnen. Wenn wir diese Haltung an den Tag legen, müssen wir uns nicht wundern, wenn niemand mehr bereit ist, in die Politik zu gehen.

Lobbying gehört zu Demokratie und Rechtsstaat

Zur Erinnerung: Lobbyismus ist nichts Verbotenes ist. Politik sollte Lobbyisten zuhören, weil es sein kann, dass sie berechtige Interessen vertreten. Und solange dies alles nicht in Hinterzimmern geschieht, wie Herr Leif dem Zuschauer immer gerne Glauben machen will, sondern öffentlich, solange ist es ein ganz normaler Vorgang.

Auch Verbände sind NGOs. Auch NGOs sind Lobbyisten.

Stichwort Transparenz. Ein Lobby-Register? Ja, aber nur dann wenn sich alle darin eintragen müssen. Also auch die Nichtregierungsorganisationen (Transparency International, LobbyControl usw.), die Anwaltskanzleien, die gleich mehrere, verschiedene Mandaten aus unterschiedlichen Branchen betreuen, die Agenturen, die Verbände. Alle – und das auch mit der Offenlegung ihrer Finanzen.