Demonstration für Immigranten © Nitish Meena

Wie gehen wir mit der AfD um?

Keine einfache Frage

Mit dem Einzug der AfD in den Bundestag stellt sich für alle Parteien die Frage, auf die es keine einfache Antwort gibt: Wie gehen wir mit der AfD um? Ignoriert man die Rechtspopulisten oder verweigert man sich nur ihren politischen Initiativen? Wie gehen die Parteien und einzelne Abgeordnete mit gezielten Provokationen um? Mindestens ebenso schwierig ist diese Frage aber auch für Unternehmen und Verbände, die im politischen Umfeld von Bundesregierung, Ministerien und Bundestag arbeiten. Für sie hat sich durch die AfD die politische Stakeholder-Landschaft massiv verschoben.

Sollte es zu einer Großen Koalition kommen, kommt ein Umstand erschwerend hinzu: Die AfD ist dann die stärkste Oppositionspartei im Deutschen Bundestag. Das hat automatisch Folgen im parlamentarischen Betrieb – so wird die AfD z. B. den Vorsitz wichtiger Ausschüsse wie dem Hauptausschuss einnehmen dürfen. Unabhängig davon stellen sich zahlreiche konfliktbeladene Fragen an Public-Affairs-Akteure, insbesondere wie mit Vertretern der AfD im Parlament und der AfD als Ganzes umzugehen ist.

Viele Verbände haben in ihren ersten Überlegungen schlicht dafür plädiert, die AfD-Vertreter nicht zu treffen und sie auch nicht zu den eigenen Veranstaltungen einzuladen. Eine Position, die recht schnell auf den Prüfstand gestellt wird, wenn ein AfD-Bundestagsabgeordneter in offizielle Ämter gewählt wird (ob als Bundestagsvizepräsident oder als Ausschussvorsitzender).

Überdies stellt die AfD drei direkt gewählte Abgeordnete, die in ihren Wahlkreisen von einer Mehrheit gewählt worden sind und daher anerkannt werden müssen. Gelten für Unternehmen aus diesen Regionen andere Regeln als für die Bundesebene? Ein Punkt, der in einigen Landesparlamenten bereits verschärfter auftritt.

Ganz wird sich also der Umgang mit AfD-Abgeordneten und Funktionären nicht vermeiden lassen. Sei es ein einfach gewählter Abgeordneter aus dem Wahlkreis eines Unternehmens oder der parlamentarisch gewählte Ausschuss-Vorsitz oder auch nur eine einfache AfD-Mitgliedschaft. Es gilt, klare, rationale Kriterien für den unvermeidlichen Dialog zu finden, Konsequenzen für Regelverletzungen zu definieren und durchzusetzen und ggf. gezielte Provokationen zu parieren. Besonders wichtig wird es für Unternehmen und Verbände, ihre Stakeholder-Beziehungen und den Dialog neu zu bestimmen. Denn eines ist klar: Unternehmen und Verbände können nur scheitern, wenn sie versuchen, politische Kriterien der absoluten Unterscheidung (»wir reden nicht mit rechtsextremen Abgeordneten«) zu entwickeln. Die Übergänge sind fließend, Tabubrüche gewollt und werden hinterher oft relativiert oder als Missverständnis dargestellt. In diesem Umfeld würde sich jedes Unternehmen und jeder Verband in ein Minenfeld begeben.

Schnittmengen müssen identifiziert werden

Die liberale Mehrheitsgesellschaft hat es weitgehend verlernt, für ihre Grundlagen zu streiten. Was die Rechtspopulisten nutzen, ist das Unbehagen in weiten Teilen der Gesellschaft über den schnellen, weltweiten Wandel. Im Wahlkampf hat sie Themen gesetzt, die auch in gemäßigteren Teilen der Bevölkerung und gesellschaftlichen Gruppen wie Verbänden akzeptiert werden können und sie wird es weiter tun. So schwierig dies im Einzelfall scheinen mag, so notwendig ist eine klare Abgrenzung zu den nationalistischen und rassistischen Positionen der AfD.

Anders als die Linkspartei ist die AfD inhaltlich und thematisch unberechenbarer. Ihre politische Verortung ist nicht immer konsequent auf einer reinen ideologischen Links-Rechts-Skala vorzunehmen. Denn die AfD versucht in einigen Themenfeldern auch, einen Konflikt »unten gegen oben« oder »wir gegen die Eliten in diesem Land« zu inszenieren.

Das Wahlprogramm zeigt, dass es einige Themen gibt, mit denen sich die AfD als Anwalt des berühmten »kleinen Mannes« hervortun will. Für die Akteure außerhalb des parlamentarischen Betriebs wird es extrem wichtig sein, diese Themen zu identifizieren und zu antizipieren. Oder, noch schwieriger, wenn Positionen der AfD deckungsgleich mit eigenen Position sind und ungewollte Schulterschlüsse drohen, die vorweggenommen werden sollten, um nicht zum Bumerang zu werden. An dieser Stelle können Allianzen mit alten und neuen Stakeholdern hilfreich sein, in der inhaltlichen Auseinandersetzung mit der AfD und ihren Positionen zu bestehen und nicht ungewollt vor den populistischen Karren der neuen Rechten gespannt zu werden. Dies trifft beispielsweise auf folgende Themen zu:

  • Verbraucherschutz mit Überschneidungen zu Forderungen wie Foodwatch sie bspw. erhebt
  • Widerstand gegen die Privatisierung des Wassersektors
  • Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum (Arztversorgung, Apotheken, Pflege)
  • Ausbau von Bildungseinrichtungen und der Lehrerversorgung im ländlichen Raum
  • Ausbau der beruflichen Bildung und der Bildung in den MINT Fächern
  • Kampf gegen Lobbyismus und für #Transparenz in der Politik

Ein weiteres Betätigungsfeld der AfD dürfte die Vereinnahmung des Begriffs »Demokratie« sein, um der Forderung nach einer direkten Demokratie durch Volksabstimmungen mehr Gehör zu verschaffen und die etablierten Parteien dem Vorwurf eines Kartells der Altparteien aussetzen zu können. Die AfD wird es verstehen, sich durch das Besetzen von Nischenthemen zu profilieren und sich medienwirksam zum »Anwalt des kleinen Mannes« zu stilisieren.

Realitäten in Regionen, Kommunen und Unternehmen kennen und antizipieren

Einige Unternehmensvertreter konstatieren hinter vorgehaltener Hand inzwischen auch, dass die Wahl der AfD Konflikte in die Unternehmen bzw. einzelne Werke hineinträgt. Wie geht man damit um, wenn lokal vermutlich bis zu einem Drittel der Mitarbeiter eines Standortes AfD gewählt haben und sich die Unternehmensführung aber nicht mit der AfD treffen will?

Aber auch umgekehrt drohen ernstzunehmende Gefahren: Vermehrt zeigt sich, dass gerade in der Rekrutierung hochqualifizierter Mitarbeiter Standorte mit hohem AfD-Anteil wachsende Probleme haben, neue Mitarbeiter zu gewinnen. Das bedeutet auch, dass Unternehmen solche Wahlergebnisse und ein solches Umfeld zum Standort nicht einfach ignorieren können, sondern aktiv damit umgehen müssen.

Ein weiteres Risiko muss ernst genommen werden: Es gibt erste Beispiele, die zeigen, dass ein vorschneller und unvorsichtiger Umgang mit der AfD zu Protesten von Gewerkschaften, NGOs oder ähnlichen Organisationen führen kann. Selbst Aufrufe zum Konsumenten-Boykott sind im Einzelfall nicht auszuschließen, Beispiele hat es in der Vergangenheit gegeben: Boykott-Aufruf gegen Funke-Medien-Gruppe wegen eines AfD-Interviews; Boykott-Aufruf wegen der Diskussionsteilnahme der AfD auf dem evangelischen Kirchentag; Anfeindungen gegen die Hotelgruppe Maritim, weil die AfD ihren Bundesparteitag im Kölner Haus veranstalten will.

Fazit

Die AfD ist eine demokratisch in den Bundestag gewählte Partei – damit stehen den Mitgliedern ihrer Bundestagsfraktion dieselben Rechte und Pflichten zu wie allen anderen Bundestagsabgeordneten.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die parlamentarische Arbeit der AfD auf Bundesebene gestalten wird. Wenn deren Mitglieder ihre Aufgaben in den Ausschüssen auch regulär wahrnehmen, können privatwirtschaftliche Unternehmen und Verbände trotzdem entscheiden, von einer Einladung zu Parlamentarischen Abenden, Workshops oder Diskussions- und Hintergrundrunden wegen grundsätzlicher verfassungsfeindlicher Äußerungen der AfD abzusehen.

Der Umgang mit der AfD birgt eine Vielzahl von Untiefen und Risiken. Vielfach werden diese erst deutlich, wenn ein Unternehmen oder ein Verband sich systematisch damit auseinandersetzt. Es ist daher dringend geboten, die politische Zeit der schleppenden Sondierungen dazu zu nutzen, sich eine Strategie im Umgang mit der AfD zuzulegen.